Die rechte Hand des Herrn (18. Oktober 2019)

Der katholische Klerus in Deutschland hegt bekanntlich stets einen Drall nach rechts. Sexismus, Traditionssucht, Homophobie und Totalitarismus sind nicht nur fester Bestandteil rechter bis rechtsextremer Politik, sondern vernebeln auch den Geist der „Geistlichen“. Die Brüder und Schwestern der evangelischen Kirche, so esoterisch und hipp sie auch auftreten mögen, sind jedoch ebenfalls nicht immun gegenüber Ideologien der Ungleichwertigkeit, wie der Fall Rentzing vom Beginn diesen Monats leider bestätigt.

Dr. Carsten Rentzing, Landesbischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsen, hat nach Enthüllung seiner rechtsradikalen Vergangenheit sein Amt niedergelegt. Ein Bischof oder eine Bischöfin ist die mächtigste Person in einer Assoziation von christlichen Gemeinden, die zudem keinerlei Rechenschaft gegenüber der Basis leisten muss.

Nationalistische Texte aus der Studienzeit

Zwischen 1989 und 1992 schrieb der damals 22-jährige Theologie- und Philosophiestudent Rentzing „elitäre, in Teilen nationalistische und demokratiefeindliche“ Texte für die Zeitschrift „Fragmente“, welche er selbst mit herausgab.[1] 

1992 trat er der Landsmannschaft „Hercynia“ in Frankfurt bei. Rentzing beharrt auch heute noch auf seine Mitgliedschaft in dieser Studentenverbindung, deren „gemeinsame(n) Werte Ehre, Freiheit, Freundschaft und Vaterland“ die rechtskonservative, nationalistische Gesinnung der Mitglieder bezeugen.[2] Nicht zu vergessen ist der reaktionäre und frauenverachtende Konsens jeder Studentenverbindung.

Ab Mitte der Neunziger Jahre habe er sich auf die Arbeit im kirchlichen Dienst vorbereitet und das politische Schreiben aufgegeben, obwohl er nur wenige Jahre zuvor in die „Hercynia“ eintrat, wodurch seine angebliche Inaktivität zweifelhaft erscheint.

Rentzing charakterisiert sich selbst als konservativ und lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe ab, da dies nur einen Verschnitt der „wahrhaftigen“ Ehe darstellen würde. Passend dazu unterstützt Rentzing jährlich den antifeministischen und fundamentalistischen „Marsch des Lebens“ mit einem Grußwort. Eine Distanzierung von der AfD blieb selbstverständlich noch aus, da zuvor erst einmal die Anliegen und Mittel sowie die Vertreter dieser Partei tiefgründig analysiert werden müssten.  Eine kritische Reflexion jeglicher politischer Entwicklungen ist essentiell für eine aufgeklärte und verantwortungsbewusste Gesellschaft, jedoch ab dem Punkt überflüssig, an dem eine Partei den Schießbefehl gegen Geflüchtete an deutschen Grenzen fordert.

Der „Ich-habe-mit-früher-nichts-mehr-zu-tun-Bischof“

Seit 1999 befindet sich Rentzing im kirchlichen Dienst und übt priesterliche Tätigkeiten aus. Seine Vergangenheit habe er verdrängt und fühle mittlerweile nur noch Scham und Unverständnis gegenüber seinen damaligen Ansichten.

2013 hielt der „Ich-habe-mit-früher-nichts-mehr-zu-tun-Bischof“ Rentzing einen Vortrag in der „Bibliothek des Konservatismus“, welche von Casper Schrenck-Notzing gegründet wurde. Schrenck-Notzing ist u. a. Autor für die „Junge Freiheit“ und die „National-Zeitung“ – in beiden Fällen für rechtskonservative bis rechtsextreme Medien.

Vor seiner Wahl zum Bischof im Jahr 2015 wurde auf eine Aufarbeitung seiner politischen Vergangenheit verzichtet, da Rentzing durch das Studium der Theologie und sein „guter Dienst“ als Priester über viele Jahre blindes Vertrauen der evangelisch-lutherischen Obrigkeiten genoss.

Austrittsforderungen in der evangelischen Kirche

Nach Publikation seines Werdeganges durch die Sächsische Zeitung, startete eine Petition von liberalen Kräften unter dem Motto „Nächstenliebe verlangt Klarheit“, welche den Austritt Rentzings aus der „Hercynia“ forderte. Er lehnte dies ab und verwies auf den möglichen Verlust von jahrelangen Freundschaften und Kontakten. Freundschaften und Kontakte in das rechtsradikale bis -extreme Umfeld. Auch die sächsische Landeskirche positionierte sich zum Fall Rentzing und bezeichnete die Texte zwar als „unvertretbar“, fügte jedoch sofort hinzu, dass diese Texte Ergebnis einer Findungsphase des damals jungen Rentzing seien.

Sogar die evangelische Kirche sucht also lieber die scheinheilige Versöhnung, anstatt ein klares Zeichen gegen antidemokratische und nationalistische Ideologien zu setzen. Zwar unterstützt die evangelische Kirche die private Seenotrettung mit einem Verein und finanzieller Hilfe beim Kauf eines neuen Rettungsbootes, trotzdem beherbergt sie Hauptamtliche mit nationalistischen Weltanschauungen.

Antifaschismus, egal ob atheistisch oder religiös

Religiöse Gemeinschaften jeglicher Konfessionen müssen spätestens jetzt wieder zu einem Zeichen des Internationalismus werden. In einer Zeit, in der faschistisches Gedankengut wieder salonfähig gemacht wird und die Gesellschaft im Kampf aller gegen alle zerbricht. Besonders christliche Gemeinschaften müssen zurück zu ihrem Ursprung finden, der im Aufstand gegen das Patriachat und den Kampf für alle (!) Ausgebeuteten und Unterdrückten dieses Planeten liegt.

Der Kampf gegen ein erneutes Erstarken des Faschismus bedarf der Gemeinschaft aller Antifaschistinnen und Antifaschisten, egal ob atheistisch oder religiös.

Anmerkung:

Dieser Artikel wurde am 19. Oktober 2019 in der Perspektive-Online veröffentlicht.

[1] https://www.evlks.de/aktuelles/alle-nachrichten/nachricht/news/detail/News/erklaerung-der-landeskirche/

[2] http://www.apl-hercynia.de/

Nachruf zum BJT 2019 (14. September 2019)

 

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Verbündete,

Vom 13. bis 14. September fand der diesjährige Jugendtag des Bistums Dresden-Meißen im Kloster Wechselburg statt. Unter den Teilnehmenden befanden sich sieben Mitglieder der Gemeinden St. Bonifatius (Connewitz) und St. Peter & Paul (Markkleeberg), die als Aktionsgruppe „Kein Paradies“ in Erscheinung traten.

Das Motto „(Un-) sicher? – Einfach mal machen“, wurde sogleich mit der Parole:

„Frauenpriestertum – Einfach machen!“

beantwortet. Präsentiert wurde das thematische Feedback in Form eines selbstgemalten Transparentes, welches gut sichtbar über beide Tage im Innenhof des Klosters angebracht wurde.

Schon die Erwähnung von Geschlechtergleichheit sorgt in katholischen Verhältnissen für Turbulenzen, nur ist der Weg zur Gerechtigkeit weder einfach, noch konnten wir dem politischen Potential des BJT-Mottos wiederstehen.

Selbstverständlich brachten wir unsere feministische Kritik an den reaktionären Zuständen im Abschlussgottesdienst auch verbal ein.

Die Unterdrückung der Frau ist ein Angriff auf uns alle!

Für eine feministische Revolution in der katholischen Kirche!

Redebeitrag zum Friedensgebet in Ostritz (3. November 2018)

Vor dreitausend Jahren floh das Volk Israel vor der Unterdrückung aus Ägypten.

Heute fliehen Menschen vor dem Bürgerkrieg in Syrien, unwürdigen Arbeitsbedingungen und Verfolgung, aufgrund ihrer Religion, ihrer politischen Haltung oder da sie durch das Raster totalitärer Systeme fallen.

Auf der ganzen Welt herrscht eine Phase der Angst und des Misstrauens, die Großmächte treiben Kriege weiter voran und auch Deutschland trägt durch unzählige Waffenexporte fatale Mitschuld.

Das Land ist gespalten, die extremen Pole verhärten sich und die Gesellschaft zerfällt. Diese Spaltung schlägt sich bis in unsere Regionen, unsere Städte und Bezirke nieder.

Im Januar 2015 standen die 3000 Beteiligten des ersten Legida-Aufmarsches dem zehnfachen an Menschen gegenüber. Der Gegenprotest von 30000 Menschen setze ein Zeichen gegen islamfeindliche, rassistische und reaktionäre Hetze. Trotzdem konnte das menschenfeindliche Gedankengut in einem Teil der Bevölkerung Fuß fassen.

Es folgten Jahre des antirassistischen Protestes von Menschen, die für eine pluralistische, tolerante und solidarische Gesellschaft stritten. Darunter zahlreiche Mitglieder der katholischen Dekanatsjugend Leipzig zusammen mit Verbündeten anderer Konfessionen.

Das Dekanat Leipzig organisierte internationale Fußballturniere mit Geflüchteten und Werkstatttage zum Thema Rassismus. Die Werkstadttage fanden an einem Wochenende im Schmiedeberger Winfriedhaus statt. Gemeinsam erarbeiteten wir Jugendlichen verschiedene Definitionen zu Formen von Rassismus sowie Methoden, um rassistische Gewalt zu erkennen und zu unterbinden.

Nach zwei Jahren des kläglichen Versuches, sich zu etablieren, gab Legida endlich das Ende ihres öffentlichen Daseins bekannt.

Doch der Kampf geht weiter, egal ob hier in Ostritz oder anderen Städten und Regionen in der Bundesrepublik. Keine Stadt ist für immer von menschenfeindlichen Ideologien aus jeglichen Lagern befreit. In einer Welt mit so viel Ungerechtigkeit können wir uns nicht zurücklehnen und warten, bis der Frieden vom Himmel fällt.

I           Die Kurden werden vom türkischen Staat unter Führung des faschistischen Machthabers Erdogan systematisch verfolgt und mit militärischer Gewalt unterdrückt, obwohl das Volk der Kurden nur ihre Unabhängigkeit fordert. Kurden sterben durch deutsche Waffen, die Deutschland an die Türkei liefert. Unter den Kurden leben auch Christen wie wir.

II          Die katholischen Kirche ist immer noch ein Patriachat. Frauen wird aufgrund ihres Geschlechtes der Beruf als Priester verwehrt, ihr Menschenrecht auf die freie Berufswahl wird mit Füßen getreten.

Die Unterdrückung der Frau ist ein Angriff auf uns alle.

III         Auch aufgrund der Sexualität werden auf der ganzen Welt Menschen verfolgt, diskriminiert und verstoßen. Noch nicht einmal in unserer Kirche können sie ihren Frieden finden, da Nicht-Heterosexuelle immer noch als „abnormal“ und „psychisch krank“ betrachtet werden. Das beginnt in der kleinen Gemeinde und zieht sich bis in den Vatikan.

IV         In Deutschland treiben 9 von 10 Frauen, die während der Schwangerschaft erfahren, dass ihr Kind eine Trisomie 21 hat, ab. Viele von Ihnen tun das nicht wegen der Behinderung des Kindes, sondern wegen der Behinderung durch die Gesellschaft. Menschen mit Behinderung sind auch heute nicht gesellschaftlich akzeptiert. Eltern müssen sich immer wieder für ihr Kind rechtfertigen und Behördenkämpfe ausfechten. Es fehlen Betreuungsmöglichkeiten und durch die daraus folgende Einschränkung der beruflichen Entfaltung -gerade als Mutter- ist die Gefahr hoch, dass Familien in eine finanzielle Notlage rutschen.

Wir müssen uns dafür einsetzen, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben dürfen und selbst entscheiden können, welche Schule sie besuchen, wo und mit wem sie zusammen leben und was sie arbeiten.

V          Wir erleben es, wie sich rechtsextreme Menschen in den letzten Jahren zunehmend in Kampfsportgruppen organisieren, sie bereiten sich auf den Kampf gegen all jene vor, die nicht in ihr Gesellschaftsbild passen. Es entstehen zahlreiche Kampfsport-Events wie die „Imperium Fighting Championship“ in Leipzig oder „Kampf der Nibelungen“ hier in Ostritz. Die Durchführung der Kämpfe wird immer professioneller und locken immer mehr Zuschauer an, zuletzt 700 interessierte Menschen in Ostritz. Eine Gruppe von gut trainierten Kampfspotlern mit einer stark ausgeprägten rechten Ideologie stellt ein enormes Sicherheitsproblem dar. Dies konnte man im Januar 2016 in Leipzig beobachten. Hier schloss sich nach einer Demonstration eine Gruppe von 200 überregional-organisierten Rechtsextremen zusammen und wütete im Leipziger Stadtteil Connewitz. Sie zerstörten viele Geschäfte und richteten einen hohen Sachschaden an. Die jüngsten Vorfälle in Chemnitz und Bautzen zeigten erneut, dass Neonazis vor menschenverachtenden Straftaten nicht zurückschrecken und eine enorme Gefahr für den friedlichen Rechtsstaat darstellen.

Frieden ohne Gerechtigkeit ist wertlos für uns.

Jeder von uns muss sich auch nur einem Problem auf dieser Erde annehmen, um irgendwann wirklichen Frieden zu erreichen. Wir haben nur diese eine Erde.

In dieser Zeit des Misstrauens muss der Glaube umso stärker sein. Glaube darf niemals neue Grenzen errichten, sondern muss die Zäune niederreißen, muss die Gedanken wieder frei machen, doch funktioniert das nicht allein. Wir müssen uns gemeinsam befreien mit allen Menschen dieser Erde.

Wir müssen uns denen Annehmen, die verstoßen, unterdrückt und vertrieben werden, wenn wir uns Christen nennen wollen.